Endlich steht sie da, die neue Bücherzelle
"Trendelburger Lesezelle"
So geht's:
Nehmen Sie sich einfach die Bücher heraus, die sie gerne lesen möchten. Sie dürfen sie gerne behalten oder auch später zurück bringen – oder sie stellen ein oder mehrere andere Bücher hinein, die sie für lesenswert halten und die auf diese Weise noch andern Freude machen könnten. Auf diese Weise sind immer genügend Bücher für alle da.
Wir laden Sie ein zum Stöbern, Entdecken, Schmökern, Ausleihen und Tauschen
Eine Bitte
Wir möchten gerne, dass es ein angenehmes Erlebnis ist, die Lesezelle zu besuchen. Wir würden uns deshalb freuen, wenn ausschließlich Bücher in sauberem und lesbaren Zustand ordentlich in den Regalen eingestellt würden. Bitte keine ausgelesenen Zeitschriften, keine Kartons mit Kinderspielzeug, keine Tüten mit Altkleidern, keine Fachliteratur.
Und bitte denken Sie dabei immer daran, dass das Angebot auch für Kinder und Jugendliche frei zugänglich ist.
Die Idee
Nachdem sich nun schon in so vielen Städten und Gemeinden diese Einrichtung finden lässt, dachten wir von "Kunst säen und sehen" uns, dass so etwas doch auch unserer Stadt gut stehen würde. Und wer wäre besser geeignet für die Umsetzung dieses Projektes, wenn nicht unsere Trendelburger Kunstinitiative?
Gesagt-getan, ... doch ganz so einfach war es nicht. Zunächst einmal musste eine passende Telefonzelle her und da fing es schonmal an: eigentlich wollten wir nämlich eine schöne, alte, gelbe. Die aber gab es nicht, nur die grau-magenta farbenen von der Telekom - und die gab's auch nicht zum Nulltarif. Wir brauchten also einen Sponsor. Bürgermeister Kai Georg Bachmann unterstütze jedoch unser Projekt und so konnte die Zelle durch die Stadt Trendelburg angekauft und schließlich von uns in Potsdam abgeholt werden.
Nachdem das gute Stück in Trendelburg angekommen war, musste es zunächst einmal irgendwo gelagert werden. In einer leeren Lagerhalle in der "Abgunst" (einem ehemaligen Rittergut im Besitz von Herrn Blessing) fand unsere Lese-Zelle eine vorläufige Bleibe. Und dann ging es an die Planung und Gestaltung. Welche Farben, Inneneinrichtung, Beleuchtung - kurz es war noch viel zu tun.
Doch schließlich war es endlich soweit und unsere Bücherzelle konnte mit der tatkräfigen Unterstützung des Bauhofes (Fundament gießen, Verankerung) endlich aufgestellt werden.
Allen Unterstützern sei an dieser Stelle dafür herzlichst gedankt.
Bei der Pergola gegenüber von Rathaus und Kirche steht sie nun seit Donnerstag, dem 31. August 2017, die Trendelburger Lesezelle (des Nachts sogar mit Beleuchtung) und am Donnerstag, dem 14. September 2017 haben wir sie feierlich mit einem kleinen Festakt - leider nur im allerkleinsten Kreis, denn dem Wetter hatten wir es wohl zu verdanken, dass nicht mehr Menschen gekommen waren - eröffnet. Nichts desto trotz haben wir gemeinsam mit wenigen Besuchern bei einem Gläschen Sekt der humorigen Lesung* zum Thema Lesen von Renate Paetzmann, ihres Zeichens Buchhändlerin, Vorlesekünstlerin und neuestes Kunst-säen-und-sehen-Mitglied, gelauscht.
Wir wünschen den Trendelburgern und allen Interessierten viel Spaß beim Stöbern, Schmökern, Tauschen und Entdecken.
*Text der Lesung: siehe unten
Von den Vorzügen des Lesens
Text: Renate Paetzmann
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Ihr lieben Bücher und deren Freunde,
beim Anblick von so viel Lesestoff geht es mir wie weiland Dagobert Duck. Der stürzte sich mit einem Köpper in seinen Gold-Tresor, ließ die Taler auf seinen Kopf prasseln und war ob des Schatzes der Glücklichste in ganz Entenhausen.
Nun geht das freilich nicht mit Büchern - vielleicht gerade noch mit Reclam-Heftchen - und außerdem kann ich keinen Köpper, vor allen Dingen nicht hier in der Bücherzelle. Da hättet ihr euch eine dünnere Rednerin aussuchen müssen.
Doch der Vergleich mit Dagobert hinkt nur bedingt. Mich machen Bücher überglücklich und wie ich weiß, gibt es viele, die sich zu der gleichen Sinneslust – dem Lesen – in aller Öffentlichkeit bekennen. Die Ansprüche an den Lesestoff sind allerdings im allgemeinen inflationär gesunken.
Als ich meine Ausbildung zur Buchhändlerin begann, rümpften wir frischen Lehrlinge (im Übrigen meines Erachtens ein viel schönerer Begriff als „Auszubildende“) die Nase über die BILD-Zeitungs-Leser. Als später meine Tochter die Ausbildung zur Buchhändlerin beendete, war man der Überzeugung, dass es doch sehr beachtlich sei, wenn überhaupt gelesen würde, und wenn es nur das sensationsheischende Revolverblatt BILD ist.
Heute nun lesen wir, dass ganzen Völkern Kriege erklärt werden mit 140 Twitter-Zeichen. Und doch wird behauptet, es wird jetzt mehr gelesen als früher.
Gero von Randow, ein ZEIT-Redakteur, hat in seinem Online-Beitrag vom 2. August diesen Jahres geschrieben:
Die Leute lesen nichts mehr. Genauer gesagt, sie lesen nur noch fetzenweise, mal eine Überschrift, dann eine Unterzeile und schon kommentieren sie den gesamten Artikel im Netz. -
Es erscheinen jährlich 90.000 Bücher. Doch das bedeutet nicht, denn die Leute blättern bloß. Lesen nur noch selektiv, mal hier ein Kapitel, mal dort eine Passage. Aber so richtig von Anfang bis Ende, dazu habe doch niemand mehr Lust, keine Ausdauer und keine Zeit. Dicke Romane: wisch und weg. Tageszeitungen: nur noch die Überschriften. Et cetera.
Es wird ja allgemein beklagt, dass die Jugend nicht mehr liest.
Das stimmt nicht. Es wird nie so viel gelesen wie in der Kinder- und Jugendzeit. Leider nicht immer das Richtige zur rechten Zeit. Und vieles ist den Jugendlichen heute nicht mehr zu vermitteln. Es gibt viele Beispiel dafür. Um das zu belegen, hier zwei Aussagen:
Ein belgisches Spezialinstitut für die Erlernung des Schnelllesens wirbt mit dem Slogan: „Zeit ist Geld. Lesen Sie jetzt, begreifen Sie später!“
Und Francois Duc de la Rochefoucauld schreibt unseren Schulämtern und Lehrern ins Stammbuch: „Der Mensch sollte lesen, wozu es ihn gerade treibt. Was er nur aus Pflichtgefühl liest, wird im wenig nützen.“
Ich weiß, das ist ein schwieriges Unterfangen. Ich habe zu Hause eine Karte vom Diogenes Verlag, das steht folgende gut gemeinte Aufforderung: Verbieten Sie den Kindern das Lesen – vielleicht hilft's.“
Nun aber zu uns gierigen, nimmersatten Konsumenten:
Bedenken Sie, laut einer Studie der Yale-Universität hat, wer nur eine halbe Stunde täglich mit dem Lesen eines Buches verbringt, einen deutlichen Überlebensvorteil gegenüber Menschen, die gar nicht lesen. Oder anders formuliert: Lesen kann das Leben um durchschnittlich zwei Jahre verlängern. Der Grund: Laut den Wissenschaftlern trainiert das Lesen unsere kognitiven Fähigkeiten, Stress wird dadurch reduziert – denn der ist auf Dauer ein Killer. Sprechen Sie mal mit Ihrer Krankenkasse, vielleicht gibt’s die Bücher bald auf Rezept.
Und nun plaudert die Statistik noch etwas aus: Lesen bildet nicht nur, es macht sich auch bezahlt. Wer in der Jugend freiwillig mindestens zehn Bücher liest, verdient später rund 21 Prozent mehr Gehalt. Zu diesem Ergebnis kommt eine
bemerkenswerte Studie um Giorgio Brunello.
Doch ist Brunello nicht ein Wein? Dann würde ich dieser Statistik nicht unbedingt trauen.
Doch zu wissen, dass für den Feierabend ein Buch auf mich wartet, auf das ich mich freue, ist eines der angenehmsten Gefühle, die ich kenne.
Darum hier eine kurze Kostprobe:
In der Dunkelgasse hatten
sich versammelt viele Ratten,
es sich so begeben hatte,
denn da las die Leseratte
den Roman vom Katzenkönig,
der sich fürchtete ein wenig
vor den Ratten in den Gassen,
denn er konnte keine fassen.
So was hörten Ratten gern
und verspotteten den Herrn.
Die Moral daraus ergibt:
Leseratten sind beliebt.
Deshalb wünsche ich Ihnen für ihr Wohl:
ein Bett, ein Buch, ein Wochenende.
Danke sehr.